Seine Welt
Der Solling ist das dritthöchste Gebirge Niedersachsens und das zweitgrößte zusammenhängende Waldgebiet in Norddeutschland. Seit jeher war das Leben hier arbeitsreich und mühevoll. Das Klima ist kühl, die Böden arm und der Wald dicht und dunkel.
Doch er liefert, was man braucht: Mast für die Tiere, Kräuter, Beeren, Pilze, Fleisch und vor allem Holz.
In den Hochlagen des Waldes legten Holzknechte früher Teiche an. Mit deren Wasserschwall spülten sie die schweren Stämme talwärts und flößten sie auf Leine und Weser weiter bis Hannover, Bremen und sogar nach Rotterdam.
Handwerker im Wald
Der Solling bietet alles, was man für die Produktion von Glas und Porzellan benötigt: Energie aus Holz, feinen weißen Quarzsand, Wasser und Pottasche. Aus Tanne färbt sie Glas hellgrün, aus Buche oder Eiche dunkelgrün. Spiegel und Porzellan aus dem Solling finden sich noch heute in Schlössern und Palästen. Auch die Eisenhütten benötigten hohe Temperaturen. Intensive Hitze ohne Rauch und Flammen lieferte früher nur die Holzkohle. Um den Bedarf zu decken legten allein rund um Uslar 56 Köhlermeister mit je vier bis fünf Gesellen pro Saison jeweils 30 bis 40 Meiler an.
Das Köhlerleben
Im März zogen die Köhler in den Wald. Nahe beim Kohlplatz bauten sie eine zeltförmige Hütte. An ein Gestell aus Holzstangen lehnten sie im Kreis weitere Stangen und deckten dieses Gerüst mit Plaggen und Borke ab. In der Spitze ließen sie ein Loch, durch das Rauch abziehen konnte. Damit es nicht hinein regnete, montierten sie darüber eine Abdeckung – den „Hut“ oder „Kuckuck“. Auch der Eingang wurde überdacht und mit einer Tür verschlossen.
Bis zum Buß- und Bettag lebten die Köhler in dieser Hütte und führten ein karges aber freies Leben. Zum Ruhen diente ihnen ein Lager aus mit Laub gefüllten Säcken. Gewaschen wurde sich an einem Bach in der Nähe.
Mühsal und Genuss
Die Arbeit der Köhler war anstrengend. Alle zwei Stunden mussten mehrere Meiler kontrolliert werden, damit die Glut weder erlosch, noch in Flammen überging.
An nächtliches Durchschlafen war nicht zu denken. Darum behielten die Köhler auch nachts ihre Arbeitskleidung an.
Doch die Schönheit der Solling-Landschaft und ihre intensive Verbindung zur Natur entschädigte die rußgeschwärzten Männer für die Mühsal ihres Alltags. Sie lauschten den Rufen der Waldvögel und dem schaurig-schönen Brunftschrei des Hirsches.
Sie genossen die Stille, wenn abends zarte Nebelschwaden aus den Wiesentälern aufstiegen, und sie fanden die Zeit gemeinsam einen feinen Likör zu genießen.
Der Feierabend
Zum Feierabend erklang die ´Hillebille`. Mit einem Holzhammer wurde ein zwischen Bäumen aufgehängtes Buchenbrett kräftig angeschlagen, dass der Ton durch den Wald schallte. So übermittelten sich die Köhler Nachrichten über weite Entfernungen.
Zum Essen gab es Brot und Speck oder Suppen mit Hülsenfrüchten oder Waldkräutern. Fleisch gab es selten. Zum Schutz vor Nagern wurde alles an die Hüttendecke gehängt.
Wenn die Sonne unterging, die Vögel verstummten und der Kauz rief, wurde es kühl. Dann fachten die Köhler in ihrer Hütte ein Feuer an, sangen leise Lieder und einer spielte die Mundharmonika. Nie fehlte eine Flasche mit leckerem, goldbraunem Inhalt.
Köhlerei im Solling heute
Bis Ende des 19. Jahrhunderts war die Köhlerei ein wichtiger Zweig der Waldwirtschaft im Solling. Dann wirkte sich zunehmend die Konkurrenz durch die industrielle Verkohlung in Retorten negativ aus. Anfang des 20. Jahrhunderts gaben viele Köhlergesellen ihren Beruf auf und arbeiteten fortan in Fabriken. Die letzten gewerbsmäßigen Köhler im Solling waren um 1959 Heinrich Hillebrandt und Heinrich Koch in Delliehausen.
Heute stellt die Firma ´proFagus` in Bodenfelde jährlich rund 100.000 Tonnen Grill-Holzkohle industriell her und engagierte Sollinger halten die alte Tradition der Meilerköhlerei auch für die Zukunft weiterhin lebendig.